Kritiken



Einer geht noch – Best of Adolphinum

Premiere: 06.11.2009, Stadttheater Lippstadt

 

 

"Lippe aktuell,"vom 10.2.2010:


„Nach der Schule ist vor der Schule“
Lehrer lästern über Lehrer: „die daktiker“
begeistern Leopoldshöher Publikum



 

Leopoldshöhe (kd). • Endlich kommt die Wahrheit ans Licht: Wie die Schule von innen tatsächlich aussieht, weiß niemand besser als das Lehrerkabarett »die daktiker«.

Kein Kraftfahrzeugmechaniker ließe sich gern von den Kunden erklären, wie ein Auto zu reparieren ist. Bei Lehrern sieht die Sache völlig anders aus; Eltern können in Erziehungsfragen sehr wohl mitreden, schließlich haben doch alle mal die Schule besucht. Im Übrigen hat es diese Berufsgruppe ja nun wirklich nicht leicht: Auf der einen Seite muss sie sich mit lernunwilligen Halbwüchsigen herumplagen, auf der anderen Seite muss sie eine regelungswütige Ministerialbürokratie und unfähige Vorgesetzte aushalten. Hinzu kommt noch das schlechte Image als unterbeschäftigte, aber überbezahlte und noch dazu rechthaberische Spezies. Wie gut, dass es da »die daktiker gibt. die sich als Deutschlands dienstältestes Lehrerkabarett bezeichnen. Was dieses Quartett aus real praktizierenden Pädagogen in Leopoldshöhe auf die Bühne stellte, kann nur als Balsam für die geschundene Lehrerseele bezeichnet werden. Die 250 Anwesenden in der neuen Aula des Schulzentrums Nord - schätzungsweise zu 99 Prozent Kolleginnen und Kollegen - haben die zweieinhaIbstündige Vorstellung jedenfalls erkennbar genossen.

Und »die daktiker« gaben sich alle Mühe. genügend Vorlagen für ein befreiendes Lachen und Ablästern zu bieten. Das aktuelle Programm vereint Höhepunkte aus der 25-jährigen Bühnenerfahrung, die in Bielefeld ihren Ursprung hat. Vier geradezu klassische Lehrertypen treffen hier aufeinander: Da ist der Schulleiter (Andreas Boxhammer), der seit sechs Jahren lediglich kommissarisch im Amt ist und sich auch sonst nicht durchsetzen kann. Da ist der unbelehrbare latein- und Deutschlehrer (Hans-Peter Königs), der sich nur durch seine Besoldungsstufe A 14 motiviert. Als ewiger Angestellter ohne Aussicht auf eine Beamtenstelle wird der Sozialkundelehrer (Hermann-Josef Skutnik) von den Kollegen automatisch als gescheitert angesehen. Und da ist die Betriebsnudel (Brigitte Lämbgen).

Sie bieten alles auf, was ein Kabarett im klassischen Sinn ausmacht: Wortwjtz (Teebeutel auf Englisch?« »T-online«), Parodien auf klassische Bildung und den Schulmeister mit Macke, Sketche über endlose Konferenzen, nervige Elternsprechtage und absurde Verwaltungsvorschriften, außerdem singen sie und begleiten sich auch noch musikalisch.Die skurrilen Alltagssituationen spielen die Ensemblemitglieder mit so großem Vergnügen und solcher Hingabe, dass nicht alle Szenen erfunden sein können. An Themen herrscht ja kein Mangel: Ein großer Musikraum muss ohne Fachlehrer auskommen, die Hauptschule besitzt lediglich einen Computer, aber der ist gerade defekt, das Gymnasium, die Gesamtschule und die katholische Konfessionsschule ringen um die Präsenz im örtlichen Käseblatt.

In der Tat: War das jetzt noch Kabarett oder nicht eher eine grandiose therapeutische Gruppensitzung? Die Frage bleibt letztlich unerheblich, »die daktiker« haben jedenfalls den Nerv getroffen. Für den Satz »Wir leben doch im Zeitalter der Statistik, nicht der Pädagogik« gab es beispielsweise anhaltenden Szenenapplaus. Im laufe des Abends steigern sich die Akteure imme rmehr, verlassen die Ebene der vordergründigen Effekte („Bei mir im Unterricht gibt es immer was zu lachen - jedenfalls für mich“) und dringen auf ungeahnte Höhen vor. Die Vorbehalte gegen die verordnete Evaluation, der sehnliche Wunsch nach Ferien als Universallösung und nicht aufgearbeitete Komplexe werden wunderbar karikiert. Der Titel »Einer geht noch« ist tatsächlich Programm, denn es folgt freiwillige Zugabe nach der anderen: Zur Musik von »Lady Madonna« wird Schulministerin Sommer auf den Arm genommen, der autoritäre und rückwartsgewandte Starrkopf halt unbeirrbar an »My way« fest, dann folgt noch ein unglaublicher Schmachtsong auf eine kraftraubende Klasse 6 b (nach »Sex bomb«). Das Ende ist aber noch lange nicht erreicht, und beim Reggae-Titel über eine Karriere als Schulleiter laufen »die daktiker« zur Höchstform auf. Und was man alles bei einer Klassenfahrt nach London erlebte, wird – aus Schülersicht – auch noch verarbeitet. Der Stoff wird diesem Kabarett sicher nicht so schnell ausgehen, denn: »Nach der Schule ist vor der Schule.«

 

 


die daktiker – Deutschlands dienstältestes Lehrer-Kabarett